Um über das fremdbestimmte Leben in einem Behindertenheim zu informieren, machte Raúl Krauthausen ein #Heimexperiment. Undercover. Ein Erfahrungsbericht:
Das #Heimexperiment-Tagebuch: Fünf Tage lebenslänglich
Leben im Behindertenheim. Aus Kostengründen. Alternativlos. Das geplante Bundesteilhabegesetz kann genau das bedeuten, wenn nicht konsequente Änderungen im Gesetzestext stattfinden.
Weil alle bisherigen Protest-Aktionen die entscheidenden Änderungen nicht gebracht hatten, entschied sich die Aktivistengruppe AbilityWatch für ein drastisches Projekt: Ab ins Heim und selbst ausprobieren, was ein Leben in Abhängigkeit bedeuten kann.
Warum?
Die Lebens- und Wohnsituation von Menschen mit Behinderung sind so vielfältig wie die nicht-behinderter Menschen: Viele wohnen selbständig alleine, einige benötigen dabei für spezielle Alltagssituationen professionelle Hilfe von so genannten Assistenten. Andere wohnen in betreuten Wohngruppen oder Behindertenheimen.
Durch ein neues Gesetz (Teilhabegesetz) kann es für behinderte Menschen schwieriger werden, selbst frei zu entscheiden, wie und wo sie leben wollen. Es besteht die Gefahr, dass Menschen in Heime gebracht werden, die heute selbstbestimmt in eigenen Wohnformen leben.
Was das bedeuten würde, wollten wir unter möglichst realistischen Bedingungen ausprobieren. Wie selbstbestimmt kann man in einer Einrichtung leben? Wie fühlt sich das an? Kann jemand, der bisher selbstständig mit Assistenz gelebt hat, sich in einer solchen Einrichtung zu Hause fühlen?
Wer?
Der Aktivist und Moderator Raúl Krauthausen wohnt selbständig in einer eigenen Wohnung. Er erhält sogenannte persönliche Assistenz und wird bei Dingen unterstützt, die er aufgrund seiner Glasknochenbehinderung nicht kann. Dadurch ist er maximal selbstbestimmt und entscheidet selbst wie und wo er leben möchte.
Wir, von AbilityWatch, haben ihn gebeten, für einige Tage undercover in ein Heim einzuziehen. Dort verbrachte er fünf Tage in der sogenannten Kurzzeitpflege und konnte so am eigenen Leib erfahren, welchen Einschränkungen ein Leben in einer Gemeinschaftseinrichtung unterliegt.
Dabei ging es uns nicht darum, ein spezielles Heim zu kritisieren oder gar in Verruf zu bringen – sondern ganz allgemein die Heimstrukturen zu verstehen, zu erleben und zu hinterfragen.
Das Teilhabegesetz
Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sind die Rechte der Bevölkerung ganz klar geregelt – und gelten ausnahmslos auch für behinderte Menschen.
Das Grundgesetz sagt eindeutig:
“Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.”
(Artikel 3.3)
Der Bundestag und Bundesrat behandelt zur Zeit ein Vorhaben für ein Teilhabegesetz, das das Leben behinderter Menschen verbessern, Selbständigkeit und Wahlfreiheit stärken und Barrieren reduzieren soll.
Schon seit 2009 ist Deutschland völkerrechtlich dazu verpflichtet, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen – hat das bisher aber nur unzureichend getan.
Das Bundesteilhabegesetz soll das nun ändern.
Wird das Gesetz in seiner jetzigen Fassung das leisten können?
Die Antwort ist eindeutig: Nein.
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Wer wir sind
AbilityWatch ist ein Netzwerk von verschiedenen Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen.
Das Ziel ist es im gesellschaftlichen Bereich auf behindertenpolitischen Themen aufmerksam zu machen sowie das Soziale Modell von Behinderung in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken.
Nicht ohne uns, über uns!